AGS und Insolvenzgeld in Frankreich

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Insolvenzgeld von der französischen Garantieeinrichtung AGS

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Was ist die französische Garantieeinrichtung für Arbeitnehmerfordeungen „AGS“?

Die Vereinigung für die Verwaltung des Garantiesystems für Arbeitnehmerforderungen (L’association pour la gestion du régime de garantie des créances des salaires – in Abk. les AGS ) ist die Garantieeinrichtung, die die Auszahlung vom Insolvenzgeld, d.h. bestimmter Entgeltansprüche, die Arbeitnehmern im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zustehen, d. h. im Falle eines Insolvenzverfahrens (Sanierungsverfahren, Insolvenzverfahren mit Fortführung oder Insolvenzverfahren mit Abwicklung), gewährleistet. Dieses Verfahren ermöglicht es den Arbeitnehmern, Ansprüche einzufordern, die normalerweise einer herkömmlichen Forderungsanmeldung in der Insolvenz mit ungewissem Ausgang unterliegen würden und kaum einzuholen sind.

Wer finanziert die AGS?

Die Arbeitgeber

Alle Arbeitgeber des Privatsektors (unabhängig von ihrer Rechtsform), die dem allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherungsträger angehören, zahlen Beiträge, die dieses Lohngarantiesystem finanzieren. Es handelt sich um einen Pflichtbeitrag, der von der Urssaf eingezogen wird, der französischen Behörde, die Sozialversicherungsbeiträge einzieht. Der Beitrag wird nur von den Arbeitgebern und nicht von den Arbeitnehmern gezahlt.

Rechtsgrundlage

Der Artikel L. 3253-6 des Arbeitsgesetzbuchs sieht vor: „Jeder privatrechtliche Arbeitgeber versichert seine Arbeitnehmer, einschließlich der in Artikel L. 5422-13 genannten ins Ausland entsandten oder im Ausland lebenden Arbeitnehmer, gegen das Risiko der Nichtzahlung der ihnen in Erfüllung des Arbeitsvertrags zustehenden Entgeltansprüchen im Falle eines Sanierungsverfahren, eines Insolvenzverfahren mit Fortführung oder eines Insolvenzverfahren mit Abwicklung“.

Der AGS-Beitrag liegt derzeit bei 0,25% des Lohns und wird regelmäßig neu festgesetzt.

Wer hat Anspruch auf französisches Insolvenzgeld?

Alle Arbeitnehmer, die ihre Arbeit gewöhnlich in Frankreich ausüben, können die AGS-Garantie in Anspruch nehmen. Dies gilt auch für im Ausland lebende oder aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer, die in Frankreich arbeiten, sowie für Leiharbeitnehmer und Auszubildende.

Die Lohngarantie ist unabhängig von der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers und greift somit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Anmerkung: Amtsträger wie Geschäftsführer sind nicht von der AGS geschützt.

Hat der Arbeitnehmer eines deutschen Arbeitgebers auch Anspruch auf französisches Insolvenzgeld?

Seit dem Versuch einer Harmonisierung auf europäischer Ebene, der durch die Verabschiedung der Richtlinie 2008/94/EG beschleunigt wurde, ist das Verfahren für Arbeitnehmer, die in Frankreich für ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Land gearbeitet haben, nahezu identisch:

Der ausländische bestellte Vertreter der Gläubiger im Insolvenzverfahren muss die Forderungsaufstellung unter denselben Bedingungen erstellen und dabei die Höhe der Forderungen der Arbeitnehmer sowie Sozialversicherungsbeiträge angeben und er muss die Akten der betroffenen Arbeitnehmer zusammenstellen (Artikel L. 3253-18-1 ff. des Arbeitsgesetzbuchs) und an die AGS in Frankreich senden.

Er muss außerdem eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass das betroffene Unternehmen nicht über die verfügbaren Mittel verfügt, um die Lohnentgeltforderungen zu begleichen. Dies ermöglicht es französischen Arbeitnehmern eines Unternehmens mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, nicht zu sehr durch die unterschiedliche Gesetzgebung benachteiligt zu sein.

Oft ist es notwendig, sich an die zuständige Buchhaltungsfirma des insolventen Unternehmens zu wenden, die dabei behilflich sein kann, die Unterlagen für die Akten der französischen Arbeitnehmer zusammenzustellen, die für die Bearbeitung nötig sind.

Die Hilfe einer Anwaltskanzlei erweist sich ebenfalls als nützlich, da es oft schwierig ist, die AGS in einem grenzüberschreitenden Kontext einzuschalten, in dem Kenntnisse des französischen Arbeitsrechts und des deutschen Insolvenzrechts erforderlich sind. Der deutsch-französische Rechtsanwalt ist der Ansprechpartner für den deutschen Insolvenzverwalter und für die AGS in Frankreich.

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Anspruch auf Insolvenzgeldbesteht?

Die AGS kommt zum Tragen, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

  • Ein Insolvenzverfahren ist für den Arbeitgeber eröffnet, d. h. ein Sanierungsverfahren, ein Insolvenzverfahren mit Fortführung oder ein Insolvenzverfahren mit Abwicklung;
  • Der Arbeitgeber ist zahlungsunfähig und kann den Arbeitnehmern die geschuldeten Beträge nicht zahlen.

Im Falle eines Sanierungsverfahrens ist das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig und muss sehr ausführlich nachweisen, dass es die Lohnforderungen nicht bezahlen kann. Dies geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor.

Hierbei ist wichtig, dass die AGS immer subsidiäreingreift und daher nur dann, wenn es kein anderes Mittel gibt, um die die den Arbeitnehmern zustehenden Beträge auszuzahlen.

Wie kann die AGS eingeschaltet werden?

An wen muss man sich wenden?

Die Arbeitnehmer wenden sich nicht direkt an die AGS. Stattdessen können sie beantragen, dass die ausstehenden Beträge in eine Aufstellung der Lohnforderungen aufgenommen werden, die von dem vom Handelsgericht bestellten Verwalter (bzw. Gläubigervertreteter – „mandataire judiciaire », der im französischen Insolvenzverfahren diese Aufgabe getrennt vom Insolvenzverwalter ausübt) erstellt wird. Dieser Insolvenzverwalter vertritt die Gläubiger und ist der offizielle Ansprechpartner.

Die einzelnen Schritte

  1. Der Insolvenzerwalter prüft die eingeforderten Lohnentgeltansprüche und trägt sie dann in die Forderungstabelle ein.
  2. Der Insolvenzverwalter überprüft die Forderungen und bestätigt, dass das Unternehmen zahlungsunfähig ist.
  3. Er stellt dem Centre de gestion et d’étude AGS (CGEA) die Forderungstabelle zur Verfügung.
  4. Die AGS prüft, ob die Akte vollständig ist, und fordert gegebenenfalls zusätzliche Dokumente und Informationen an.
  5. Die AGS streckt den Arbeitnehmern ihre Forderungen vor.6. Die AGS kann sich anschließend an den Arbeitgeber wenden, wenn dieser in der Zwischenzeit Geld erhalten hat, und die AGS wird dann zum Gläubiger des Insolvenzverfahrens.
  6. Die AGS kann sich anschließend an den Arbeitgeber wenden, wenn dieser in der Zwischenzeit Geld erhalten hat, und die AGS wird dann zum Gläubiger des Insolvenzverfahrens.

Fristen für die Anmeldung von Forderungen beim AGS

Wie oben beschrieben, wenden sich Arbeitnehmer nicht direkt an den AGS, da Lohnansprüche nicht dem herkömmlichen Forderungsanmeldungsverfahren unterliegen. Stattdessen können die Arbeitnehmer den Insolvenzverwalter bitten, ihre Forderungen in die Forderungstabelle aufzunehmen, die er dann  der AGS übermitteln wird.

Im Falle eines Insolvenzverfahrens nach französischem Gesetz sind die Fristen für den Verwalter sehr kurz:

  • Er muss innerhalb von 10 Tagen nach Verkündung des Urteils zur Insolvenzverfahrenseröffnung eine Aufstellung der Forderungen erstellen, die vorzugsberechtigt zu behandeln sind (zum Beispiel Lohn und Vergütungen aller Art, die für die letzten 60 Arbeitstage geschuldet werden und Urlaubsgeld);
  • Er muss innerhalb von drei Monaten nach dem Urteil die Aufstellung der anderen Lohnforderungen und Nebenforderungen erstellen, die am Tag des Eröffnungsurteils fällig sind.

Welche Forderungen der Arbeitnehmer werden von der AGS übernommen?

Die gesetzlich festgelegten Forderungen

Es können mehrere Forderungen übernommen werden und die Tabelle ändert sich je nach Verfahren, aber in der Regel deckt die AGS nicht alle Forderungen des Arbeitnehmers ab.

Hier ein nicht abschließender Überblick über die Forderungen, die übernommen werden können:

  • Löhne und Gehälter;
  • Kündigungsfristausgleich;
  • Kündigungsabfindung;
  • Entschädigung für bezahlten Urlaub ;
  • gesetzliche Gewinnbeteiligung;
  • freiwillige Gewinnbeteiligung
  • variable Vergütung ;
  • Boni ;
  • Berufsauslagen ;
  • im Rahmen des CSP (contrat de sécurisation professionnelle) geschuldete Summen (ein Unterstützungsprogramm des frz. Arbeitsamt);
  • Begleitmaßnahmen, die sich aus einem PSE ergeben (ein Unterstützungsprogramm im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung) ;
  • unter bestimmten Bedingungen Schadensersatz (insbesondere bei Nichterfüllung der Verpflichtungen durch den Arbeitgeber, wenn sie in Rechtsprechungen akzeptiert wurde) bzw. Abfindungen bei Kündigungen ohne Grund.

Einige dieser Beträge sind sehr schwer zu erhalten, und man muss eine solide und sehr umfassende Akte zusammenstellen.

Besonderheiten je nach Art des Insolvenzverfahrens

Sanierungsverfahren

Die AGS garantiert nur Abfindungen von Arbeitnehmern, die während der Beobachtungsphase (6 Monate, einmal verlängerbar) oder innerhalb des Monats nach der Eröffnung des Sanierungsverfahren aus wirtschaftlichen Gründen entlassen wurden. Die AGS übernimmt keine Lohnentgeltansprüche, die am Tag der Verfahrenseröffnung geschuldet werden.

Insolvenzverfahren mit Fortführung

Der AGS übernimmt die Entgeltansprüche, die den Arbeitnehmern am Tag des Beschlusses über die Eröffnung des Sanierungsverfahrens in den letzten 60 Arbeitstagen geschuldet werden, sowie die Forderungen, die sich aus der Kündigung des Arbeitsvertrags ergeben, die während der Beobachtungsphase oder während des Monats nach der Verabschiedung des Sanierungsplans erfolgt.

Insolvenzverfahren mit Abwicklung

Die AGS gewährleistet die Zahlung der Beträge, die am Tag des Urteils zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Abwicklung geschuldet werden  bis zu einer Höchstgrenze von 45 Tagen sowie die in Erfüllung des Arbeitsvertrags während des Beobachtungszeitraums geschuldeten Beträge und die Forderungen aus der Kündigung des Arbeitsvertrags innerhalb von 15 Tagen nach Verkündung des Urteil zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Abwicklung.

In dem speziellen Fall der Abwicklung von Amts wegen (liquidation d‘office) übernimmt die AGS die den Arbeitnehmern zustehenden Beträge bis zu einem Höchstbetrag von eineinhalb Monatsgehältern sowie die Forderungen, die aus der Beendigung des Arbeitsvertrags innerhalb von 15 Tagen nach dem Urteil über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.

Verweigerung der Kostenübernahme durch die AGS

Formale Anforderungen der Forderungstabelle des Insolvenzverwalters

Ohne die vom Insolvenzverwalter erstellte Forderungstabelle kann der AGS jegliche Kostenübernahme ablehnen. Die AGS gibt die Gelder nur anhand dieser Forderungstabelle frei. Darüber hinaus muss die Forderungstabelle den vorgeschriebenen formalen Anforderungen entsprechen und insbesondere die genaue Höhe der Sozialbeiträge und Abgaben angeben.

Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers

Es kommt vor, dass die AGS einen Antrag ablehnt, wenn sie der Ansicht ist, dass das Unternehmen im Sanierungsverfahrenseine Zahlungsunfähigkeit nicht überzeugend nachweist. Dieses Argument kann allerdings nicht vorgebracht werden, wenn sich das betroffene Unternehmen im Insolvenzverfahren mit Fortführung oder mit Abwicklung befindet. Dies wurde vom Kassationsgericht (Handelskammer, 7. Juli 2023, Nr°22-17.902) festgehalten. Nur im Fall des Sanierungsverfahrens muss der Insolvenzverwalter nachweisen, dass Liquiditätsmangel besteht, und die AGS kann vorab eine Kontrolle durchführen und sogar den Liquiditätsmangel vor dem Handelsgericht bestreiten.

Welcher Höchstbetrag wird von der AGS übernommen?

Im Falle eines Sanierungsverfahren  oder eines Insolvenzverfahrens mit Fortführung

Es gibt einen Höchstbetrag, der sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers am Tag des Urteils zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens richtet:

Betriebszugehörigkeit am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Obergrenze
mehr als 2 Jahren 92.736 Euro
zwischen 2 Jahren und 6 Monaten 77 280 Euro
weniger als 6 Monaten 61 824 Euro

Im Falle eines Insolvenzverfahrens mit Abwicklung

  • 11 592 Euro für 1,5 Monatsgehälter;
  • 7 728 Euro für 1 Monatsgehalt.

Welche Dokumente sind für die Bearbeitung eines Falls durch die AGS erforderlich?

Es werden zahlreiche Informationen über den Arbeitnehmer, den Arbeitgeber und den Insolvenzverwalter angefordert. Beispielsweise muss der Arbeitnehmer seinen unterschriebenen Arbeitsvertrag, seine ersten und letzten drei Gehaltsabrechnungen, sein Kündigungsschreiben, seine Bankverbindung und viele weitere Unterlagen vorlegen.

Außerdem muss der Insolvenzverwalter eine Aufstellung der Lohnentgeltforderungen mit Angabe der Brutto- und Nettobeträge ausfüllen (Artikel L. 3253-19 des frz. Arbeitsgesetzbuchs) sowie eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass beim Unternehmen Liquiditätsmangel besteht, und daher die Lohnentgeltforderungen aufgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht begleichen kann.

Die Unterlagen müssen vollständig sein.

Wann erfolgt die Auszahlung des Insolvenzgeldes?

Wenn die Forderungsanmeldung vollständig ist, muss die AGS die in der Forderungsaufstellung aufgeführten Beträge innerhalb der folgenden Fristen an den Insolvenzverwalter auszahlen:

  • Innerhalb von 5 Tagen nach Erhalt der Forderungstabelle für die Hauptforderungen wie Löhne, Gehälter und Urlaubsgeld;
  • Innerhalb von 8 Tagen nach Erhalt der Forderungstabelle für die Beträge, die z. B. aus einem PSE resultieren.

Der Insolvenzverwalter muss die Beträge dann an die betroffenen Arbeitnehmer auszahlen.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bild: Pitpat



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